Chromatographie: Rot gegen Gelb
Wie der kleine Xiang Liu den mächtigen Gong Gong überlistete

Es war einmal vor langer Zeit in einem weit entfernten Land ein mächtiger Wasser-Gott namens Gong Gong. Gong Gong hatte rotes Haar und den Körper eines Drachens. Er hatte schon sehr lange über die Meere und Flüsse geherrscht und in dieser Zeit war er für viele Überschwemmungen und Katastrophen verantwortlich, denn die Meere selbst waren wie seine Launen unberechenbar und gefährlich –
- manchmal ruhig und glatt
- und im nächsten Moment aufbrausend und wütend.
Gong Gong hatte einen kleinen – ja geradezu winzig kleinen Bruder namens Xiang Liu. Xiang ist chinesisch und es bedeutet klein und in der Tat war Xiang Liu sehr klein. Er war so klein, dass niemand ihn ohne Lupe überhaupt sehen konnte, weshalb ihn sein großer Bruder auch immer wieder verspottete. Aber weil Xiang Liu nun einmal auch ein Gott war, wenn auch nur ein sehr kleiner, wollte er auch sein eigenes kleines Königreich haben und so fragte und bat er immer wieder seinen großen Bruder, ob er ihm ein bisschen von seiner Macht abgeben würde. Er versprach auch er würde ein gütiger und ganz gerechter Gott sein, aber Gong Gong dachte nicht daran auch nur ein Tröpfchen seiner Macht abzugeben.
Eines Tages wurde es Gong Gong aber doch zu viel mit dem Betteln und Drängen seines nervigen Bruders und um endlich seine Ruhe zu haben ersann eine tückische List, wie er Xiang Liu für immer los werden könnte. Er lud Xiang Liu am nächsten Abend zum Essen ein, bewirtete ihn reichlich und erklärte ihm schließlich feierlich, dass er nachgedacht hätte und aus lauter Bruderliebe hätte er nun ein Einsehen und er, der mächtige Gong Gong, würde nun seinen lieben kleinem Bruder ein kleines Königreich geben.
„Da du aber so klein bist sollst du auch nur über die kleinen Gewässer herrschen also über die Teiche und die Tümpel. Deine Untertanen sollen die Wasserflöhe, die Kaulquappen und die Algen sein, aber zuvor musst du mir eine Aufgabe erfüllen, um zu zeigen, dass du ein würdiger Gott sein wirst. Willst du mir diese Bedingung erfüllen?“
Als Xiang Liu das hörte, war er von dem vermeintlichen Großmut seines Bruders so erfreut, dass er die Hinterlist seines Bruders vergaß und eilig in alles einwilligte, was Gong Gong forderte.
„Das ist gut, dass du mir diesen Gefallen erweisen möchtest, aber sei gewarnt, wenn du versagst, verbanne ich dich aus meinem Reich für alle Zeiten. Die Bedingung ist, dass du herausfinden musst, wer von all deinen Untertanen der Stärkste ist. „
Das war eine ganz und gar tückische Forderung, denn Gong Gong hatte diese Frage immer mit einem Duell auf Leben und Tod entschieden und so kämpften in der Vergangenheit schon unzählige Tiere zu Gong Gongs Belustigung um ihr Leben. Gong Gong wusste, dass Xiang Liu ein weiches Herz hatte und dieses sinnlose Töten kaum ertrug. Aber nicht nur Gong Gong war verschlagen auch Xiang Liu war listig und so erklärte Xiang Liu:
„Ich danke dir mein lieber Bruder. Dieses Angebot ist aber viel zu großzügig von dir. Schau einmal mächtiger Gong Gong, ich bin doch viel kleiner als die großen Kaulquappen oder die riesigen Wasserflöhe. Behalte du ruhig die Wasserflöhe und die Kaulquappen. Mir reicht das Königreich der Algen und der winzigen Wasserteilchen.“
Da wurde Gong Gong wütend und die Meere tobten, weil er sich insgeheim schon auf das Gemetzel gefreut hatte.
„Algen und Wasserteilchen, mehr möchtest du nicht und wie möchtest du mir da sagen, wer der Stärkste von deinen Untertanen ist?“

„Das zeige ich dir morgen in einem spektakulären Wettkampf. Triff mich morgen am großen Wasserfall an der Stelle, wo die Strömung am stärksten und die Steine im Fluss am glitschigen sind.“
… Am nächsten Morgen hatte Xiang Liu schon herausgefunden, dass unter all seinen kleinen Untertanen nur die gelben und roten Algen besonders stark waren, denn sie konnten sich mit ihren kleinen Ärmchen an den glitschigen Steinen im Fluss festhalten, selbst wenn die kräftigen Haie mit ihren mächtigen Flossen nicht gegen die Strömung anschwimmen konnten.
„Ich habe hier links ein Glas Wasser aus dem Yangtse, dem gelben Fluss. Dort leben die starken Gelb-Algen, die sich an den Steinen im Yangtse gegen jede Strömung behaupten können. Und hier rechts habe ich ein Glas Wasser aus der roten Bucht. Dort leben die stärksten Rot-Algen und selbst die mächtigen Wellen des Pazifiks können sie nicht ins Meer zurück reißen. Ich werde jetzt beide Gläser nacheinander in die reißende Strömung gießen. Die stärksten Algen werden versuchen sich an den Steinen und Ästen im Fluß festzuhalten, um nicht in den tosenden Abgrund zu fallen. Es gewinnen folglich die Sorte von Algen, die sich am längsten oben halten können, da sie sich besser an die Steine klammern können als die schwächeren Algen, die die Strömung mitreißen wird.“
„Dein Plan gefällt mir, aber damit du nicht schummelst, wollen wir nicht ein Glas nach dem anderen in den Fluss gießen sondern beide zunächst vermischen und dann gleichzeitig ausgießen.“
Xiang Liu war damit einverstanden, aber als Gong Gong das Glas mit den Gelbalgen zu den Rotalgen goss, geschah etwas sehr sonderbares. Die Algen schienen sich in gewöhnliche grüne Algen zu verwandeln. Zumindest sah es für Gong Gong so aus. Nur der kleine Xiang Liu konnte erkennen, dass nach wie vor sowohl Gelb-Algen als auch Rot-Algen vorlagen, aber weil die Algen so klein wie Xiang Liu waren und sie sich so gut miteinander vermischten, sah es nur so aus, als ob nur noch grüne Algen da wären. In Wirklichkeit warteten die gelben und die roten Algen nur darauf, dass der Wettkampf beginnen möge. Als Xiang Liu das sah, goss er schnell das Glas mit den Algen in die Strömung und nun waren alle gespannt, wer in diesem Wettkampf gewinnen würde.
Sowohl die Gelb-Algen als auch die Rot-Algen mussten beide gegen die Strömung kämpfen. Sofort griffen sie nach den Steinen im Fluss und versuchten sich verzweifelt an sie zu klammern, aber die Strömung war zu mächtig und nach und nach verließen die Gelb-Algen die Kräfte und sie mussten sich vom Fluss fort tragen lassen. Aber auch die Rot-Algen wurden manchmal von der Strömung des Flusses überwältigt. Kaum hatte der Strom sie aber von einem Stein fort gerissen, griffen die Rot-Algen schon nach dem nächsten Stein im Fluss und hielten sich mit neuer Kraft daran fest.


Dieser Wettkampf zwischen den Rot-Algen und den Gelb-Algen dauerte viele Stunden. Immer wieder wurden die Gelb-Algen und Rot-Algen von der Strömung überwältigt und der Fluss konnte sie ein Stück mitreißen, aber immer wieder gelangten die Algen zu neuen Kräften und es gelang ihnen immer wieder doch noch nach einem neuen Stein zu greifen und sich dort fest zu klammern. Aber am Ende des Tages gewannen die Rot-Algen, da sie sich länger an den Steinen festhalten konnten als die Gelb-Algen.

So konnte Xiang Liu die Rot-Algen zu seinen stärksten Untertanen wählen und so die Bedingung des mächtigen Gong Gong erfüllen. Aber er bekam nicht nur sein kleines Königreich von Seen, Tümpeln und Teichen, denn da Gong Gong nicht aufgepasst hatte, gewann er auch die Macht über alle Wasserteilchen und da Wasser aus vielen kleinen Wasserteilchen besteht, gewann er letztlich auch die Macht über die Ozeane und Meere.
Er wollte aber anders als sein Bruder Gong Gong ein gerechter Herrscher sein und verfügte die Naturgesetze, nach denen sich alle Wasserteilchen in Zukunft zu halten hatten und von nun an konnten die Menschen sich immer auf diese Gesetze verlassen.
0 Kommentare zu „Chromatographie: Rot gegen Gelb“